Jedem, der Französisch lernt, wird bald klar: den kleinen Knacks in der Kehle - den hiatus -, der beim Aussprechen eines Vokals am Wortanfang entsteht, gilt es möglichst zu vermeiden!
Deshalb haben die Franzosen die élision und die liaison erfunden: beginnt ein Wort mit einem Vokal, wird es immer mit einem vorhergehenden Konsonanten verbunden.
Aus le avion wird so l'avion, aus les amis wird le-z-amis.
Beginnt ein Wort mit einem h, steht der Lernende vor einem speziellen Problem: er muss entscheiden, ob es sich um ein gehauchtes h aspiré oder um ein stummes h muet handelt. Im ersten Fall sind liaison und élision überflüssig, im zweiten Fall dagegen nicht.
Also la hache, aber l'hôtel.
Eine Zeit lang habe ich wirklich versucht, den Atemhauch beim h aspiré herauszuhören - ohne Erfolg. Meine Französischlehrerin war erstaunt: da gebe es doch gar keinen hörbaren Unterschied. Aber eigentlich sei die Entscheidung ganz einfach: bei einem h aspiré entfalle doch die Liaison! Ein klassischer Zirkelschluss - da blieb nur Auswendiglernen.
In einem Buch der Linguistin Henriette Walter fand ich später die Erklärung:
Wörter, die mit stummem h beginnen, sind meist lateinischer oder griechischer Herkunft. Schon als die Römer vor 2000 Jahren ihre Sprache nach Gallien mitbrachten, sprachen sie das h in Wörtern wie hora nicht mehr aus. Für die Gallier entstand der Eindruck, ein solches Wort fange mit einem Vokal an. heur beginnt also mit einem stummen h - der vorhergehende Konsonant wird angebunden.
Dasselbe passierte zu Römerzeiten auch im Englischen oder Deutschen: Engländer sprechen das h in hour nicht aus. Wir Deutschen sind da noch konsequenter: im Wort Uhr wird es nicht einmal mehr geschrieben.
Wörter, die mit einem gehauchten h beginnen, sind dagegen germanischer Herkunft. Dieses h wurde auch in Frankreich noch bis ins 17. Jahrhundert ausgesprochen - kein Bedarf also für eine liaison. So heißt die Hacke also la hache, der Hass la haine und die Hüfte la hanche.
Und wie immer beim Französischlernen: glaubt man, diese Regel verstanden zu haben, dauert es nicht lange, bis man auf die erste Ausnahme stößt.
Mehr zum Thema und viele andere interessante Informationen zur Geschichte der französischen Sprache bei Henriette Walter "L'aventure des mots français venus d'ailleurs"