Liebe Karin, wir kennen uns ja bereits seit 13 Jahren. Als wir damals Anfang 2005 in Toulouse ankamen, warst du schon seit einiger Zeit in Frankreich. Wie kam es dazu?
Karin: 13 Jahre schon, wow! Ja, ich bin 2001 nach Toulouse gekommen – am 1. März werden es siebzehn Jahre!
Ich wollte damals wieder ins Ausland. Ich hatte gute Erfahrungen gemacht: Während meines Studiums war ich sechs Monate in Angers, und nach meinem Studium 2 Jahre in Montpellier.
Im Ausland zu leben kann man lernen - aber man mag es, oder man mag es nicht. Einige sind froh, wenn sie wieder zu Hause sind, und andere kommen im Ausland auf den Geschmack. Die brauchen diesen „Kick“ immer wieder, zwischen Kulturen zu pendeln - und zu denen gehöre ich.
Anfangs war ich fast ein bisschen enttäuscht, dass es schon wieder Frankreich war – gerne wäre ich nach Japan oder in die USA gegangen, doch beruflich ergab sich Toulouse. Ich lebte gerade in Scheidung, hatte keine Kinder, und so habe ich mit Anfang vierzig ein neues Leben in Toulouse begonnen: neuer Job, neues Land… und einige Jahre später habe ich auch meinen jetzigen Mann kennengelernt.
Du hast ja Französisch studiert, sprachst also schon die Sprache. Hattest Du anfangs vielleicht trotzdem manchmal Probleme?
Karin: Auf jeden Fall! Ich habe z .B. darunter gelitten, dass ich ein größeres Platzbedürfnis habe als die meisten Franzosen. Ich habe mich in der Stadt oft beengt/bedrängt gefühlt. Zu wissen, dass unser Raumgefühl kulturell geprägt ist, hat mir geholfen, das zu akzeptieren - zumal ich mich erinnern konnte, dass mir amerikanische Expats ähnliche Situationen von Deutschland berichtet hatten.
In den Augen des anderen erkennen wir nicht den Fremden, sondern uns selbst. Hierin liegt m. E. der Schlüssel zum Erfolg: Im ersten Schritt ist es nicht so wichtig, was wir in Frankreich über die französische Kultur lernen, sondern das, was wir im Ausland über die deutsche Kultur lernen. Erst wenn ich annehme und integriere, was mir die Augen der anderen widerspiegeln, kann ich beginnen, die fremde Kultur zu verstehen. Ich habe z. B. gelernt, dass die deutsche Art der Kommunikation so direkt ist, dass sie für andere Kulturen roh erscheinen kann („cru“). Das ist wichtig zu wissen.
Im Ausland zu leben, erfordert viel Geduld und Selbstführung. Wie erkläre ich dem Arzt ganz genau meine Schmerzen oder mein Anliegen? Wie frage ich die Verkäuferin nach „aufbügelbaren Klebeflicken“ für meine Regenjacke? Alles ist etwas schwieriger und zäher als zu Hause. Das hat mich nach einem Jahr gestresst.
Die großen Unterschiede in der Art der Kommunikation habe ich allerdings auch erfahren, gerade weil ich sogar für deutsche Verhältnisse manchmal sehr direkt sein kann. Wobei ich sagen würde, dass ich zwar einerseits durchaus das Problem hatte, durch meine Direktheit irgendwo anzuecken. Viel schlimmer war aber, dass ich oft nicht verstanden habe, was von mir erwartet wurde: ich hatte oft den Eindruck, dass in einer Gruppe von Franzosen Informationen ganz informell durchsickern, aber trotzdem jeder weiß, was zu tun ist - jeder außer mir natürlich.
Aber irgendwann hast Du Dich in Toulouse sicher richtig zu Hause gefühlt?
Karin: Das ist schrittweise passiert, vor allem nachdem ich meinen Mann kennengelernt habe. Er lebt schon lange in Toulouse, hat hier Freunde und Kollegen. Dann haben wir eine Wohnung mit Garten in Toulouse gekauft, und wir haben nette Nachbarn – Franzosen, mit denen wir ganz normale und angenehme Alltagskontakte haben.
Der Durchbruch war unsere Trauung 2012. Die Rede der Standesbeamtin hat mich sehr ergriffen, weil mir auf einmal klar wurde, dass sich meine Wege und die meines Mannes nur in Toulouse kreuzen konnten. Wir hätten uns an keinem anderen Ort der Welt kennenlernen können. Dafür bin ich dankbar, und das verbindet mich mit dieser Stadt. Heimat ist da wo man liebt…
Inzwischen haben sich Deine Lebensumstände wieder geändert, Du bist zur Zeit oft in München, wo Du als Coach und Achtsamkeitslehrerin arbeitest.
Karin: Ja – beide Länder liegen mir am Herzen, und ich bin froh, so einfach in beiden Ländern leben zu können. Karriere-Coaching ist meine Spezialität, und auf dem dynamischen deutschen bzw. Münchener Arbeitsmarkt macht das richtig Spaß.
Darüber hinaus war es mir wichtig, eine Ausbildung zur zertifizierten MBSR-Lehrerin machen (Mindfulness Based Stress Reduction), und die gab es vor zwei Jahren nicht in Frankreich. Also habe ich sie in Deutschland gemacht und mir dort ein Netzwerk aufgebaut. Mittlerweile bin ich zertifizierte MBSR-Lehrerin, und meine Kurse sind von den deutschen Krankenkassen anerkannt als Stress-Präventionsmaßnahme. Damit sind sie bezuschussungsfähig. Diese Arbeit macht mir großen Spaß – und mein Traum ist, sie nach Toulouse zu bringen.
Ein erster Schritt ist eine Achtsamkeitswoche im Juli (30.06.-07.07.) in Montlaur/Corbières, die ich mit einem Kollegen auf Deutsch anbiete. Das wird eine tolle Woche, in der wir in einem schönen Landhaus-Ambiente in Achtsamkeit eintauchen. Eine schöne Auszeit – und die erhöhen ja bekanntlich die Lebensqualität!
Umgeben von den Weinbergen Südfrankreichs im Corbières, beschäftigen wir uns eine Woche lang intensiv mit der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion, sowie mit Elementen des MSC (Mindful Self Compassion).
Wir üben uns 3-4 Stunden pro Tag in der Gruppe in Achtsamkeit. Der Rest des Tages steht zur freien Verfügung und kann individuell genutzt werden, z. B. um die Umgebung zu erkunden oder die eigene Achtsamkeitspraxis auszubauen. Am Anreisetag üben wir am Abend. Einen Tag, 6 Stunden, werden wir in Stille verbringen. Ergänzend werden Sitzmeditationen in der Gruppe vor dem Frühstück angeboten.
Liebe Karin, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch. Ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deiner Achtsamkeitswoche und natürlich auch weiterhin bei Deiner Tätigkeit als Coach in München.
Wer sich für Karins Achtsamkeitswoche in Südfrankreich interessiert: es sind noch Plätze frei! Das Seminar findet in La Fraissinède in 11220 Montlaur statt, 30 min von Carcassonne und Lagrasse entfernt, 45 min vom Mittelmeer. Der Kurs ist als MBSR-Kompaktkurs im Rahmen der Gesundheitsprävention anerkannt.
Anmeldungen bis 22. März 2018:
Via Email: karin@6way-coaching.com
Via Telefon: +4915779064552
Weitere Informationen zur Achtsamkeitswoche und Karins Coaching-Angebote finden sich auf ihrer Webseite: Karin Tegtmeier 6Way-Coaching.
Außerdem hat Karin kürzlich ein Interview auf Freirad (Freies Radio Innsbruck) zum Thema "Achtsamkeit in Beruf und Karriere" gegeben.